Gestaltberatung
Mancher versucht nun mit oder ohne Unterstützung, eine neue Melodie zu erlernen...
da gäbe es noch andere Tasten, die sähen so schön aus, die klängen auch viel besser als die eigenen. Ich kenne Menschen, die haben es mit einer neuen Melodie ausprobiert. Für eine Weile waren sie damit richtig glücklich, aber als der Rausch des Neuen sich langsam legte, klang aus dem inneren die alte Melodie immer lauter wieder durch (bei manchen ist das so laut, dass man das einen "Tinnitus" nennt...).
Und während die einen die neue Melodie immer lauter spielen, um die innere Musik zu übertönen (und ihren Mitmenschen mit ihren ausgeprägten Neurosen mächtig auf die Nerven gehen), spielen die anderen dann doch wieder die alte Melodie und klingen dabei irgendwie wie ihre Eltern...
Beide Fraktionen zahlen einen hohen Preis. Sie sind unzufrieden und weit weg von sich selbst (das nennt man z.B. Depression oder Neudeutsch Burnout) und nicht selten krank. Nur die Melodie meiner Kindheit zu spielen bedeutet, ein Wunschbild meiner Eltern zu bleiben. Eine ganz neue Melodie zu lernen bedeutet, ein Abbild irgendeines anderen Menschen oder eines (oft überhöhten) Idealbildes zu werden.
Ich glaube, die Lösung sieht anders aus:
Liebevoll interessiert auf die eigene Melodie zu hören...
neue Tasten auf der Klaviatur auszuprobieren...
und sie in Harmonie in die eigenen Melodie einflieÃen zu lassen...
ein gröÃeres Werk zu komponieren, mehr Tasten spielen zu können, mehr Spielweisen zu beherrschen...
Das ist die Haltung der Gestalttherapie, und darum schätze ich sie so.
Die gestalttherapeutische Sicht auf das Leben und den Menschen ist
  phänomenologisch: Wahrnehmung und Interpretation sind unterschiedliche Prozesse. Es ist erkenntnisfördernd, die Wahrnehmung bewusst auf das gerade jetzt unmittelbar in Erscheinung Tretende zu lenken (im Gegensatz zum Denken in Verallgemeinerungen und Vor-Urteilen oder âSchubladenâ);
    erfahrungsorientiert: Entwicklung geschieht durch Erfahrung mit Körper, Geist und Emotionen (oder: Herz, Hirn und Hand) und nicht allein durch rationale Lernprozesse;
    erlebensorientiert: Die Interventionen der Gestalttherapie laden zu Erfahrungen ein, sie sind kreativ und werden âExperimenteâ genannt, weil der Therapeut sie nicht mit einem vorgegebenen Ziel oder beabsichtigten Ergebnis anwendet, sondern sie vielmehr gemeinsam mit dem Klienten entwickelt oder als Idee anbietet, um Erkenntnisse zu gewinnen und dessen innere Erlebenswelt zu erkunden und dies dann in den therapeutischen Prozess einzubinden.
Die Gestalttherapie unterscheidet Menschen demnach nicht nach âgesundâ und âkrankâ, sondern sie hinterfragt liebevoll interessiert bei jedem Menschen, wie es ihm gelingt, an unterschiedlichen Stellen nicht das zu bekommen, was er braucht. Ziel ist also nicht die Veränderung von krank zu gesund, sondern die Entwicklung hin zum nach innen und auÃen gereiften Selbst, das auf eine selbstverantwortliche und angemessene Weise mit sich und den anderen unterstützend in Kontakt geht und sein Lebensumfeld nach seinen Bedürfnissen gestaltet.
Auf diese Weise, wenn also der Therapeut oder Berater als resonanzgebender Begleiter auf âAugenhöheâ den Klienten in der Arbeit an problematischen Situationen dabei unterstützt, Bewusstheit über unbewusste und automatisierte Reaktionsmuster zu erlangen, gewinnt dieser wieder die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit und kann in diesem Sinne âStörungenâ überwinden und âgesündereâ Beziehungs- und Verhaltensmuster (er-) leben.
 Gestalttherapie ist von der ähnlich klingenden Gestaltungstherapie zu unterscheiden.